Die folgenden Gedanken sind in mir ‹aufgetaucht›, ich habe sie probeweise als wahr für mich angenommen, bin mit ihnen wach durch mein Leben gegangen, habe sie als hilfreich erfahren, sie inzwischen dauerhaft in mein Denken aufgenommen und bis heute nichts Widersprechendes erlebt. Es sind nur Worte und du magst mit ihnen anderes verbinden. Der gleiche Gedanke kann für mich hilfreich sein und für dich hinderlich. Ich schreibe diese Gedanken hier nieder, um zu erzählen, was ich erlebt habe und wie Erkennen in mir geschah.
«Mein Spüren ist ein eigener Kanal der Wahrnehmung.»1, 2, 3
1996 nahm ich das Angebot des Besitzers eines Mineralien-Ladens in Berlin an, «meine Chakren zu öffen», ohne groß Erfahrungen mit solchen Dingen gehabt zu haben. Die drei folgenden Tagen waren ein innerer und äußerer Alptraum, in denen sich einiges in mir veränderte: Seitdem spüre ich bewusst. Zuerst Flüsse von Energien durch den eigenen Körper, die Wirkungen von Essen und Essenzen auf meinen Körper und zunehmend auch die mich umgebende Energie der Welt als energetischen Einfluss. Ich erkannte das Wort ‹spüren›, das ich zuvor nicht bedacht und kaum verwendet hatte, als einen eigenen Sinn, der mir all die Jahre zuvor nicht bewusst gewesen war. Mein Denken nahm diese Eindrücke als wahr an – seitdem erprobe und erfahre ich es in mir selbst und mit meinen Nächsten.
«Die über meine fünf physischen Sinne wahrgenommene Welt ist nicht die einzige belebte Realität des Daseins. Alle anderen Sphären neben der dritten Dimension sind ebenso belebt.»4
1999 betreute ich in Hannover den Stand einer Bildungsmesse. In der Pause blätterte ich in einem am Nachbarstand ausgestellten Buch, das von Computer generierte Bilder höherdimensionaler ‹Körper› zeigte. Plötzlich begriff ich. Ich erzählte es fasziniert meinen Kollegen und in den folgenden Jahren immer wieder nahen Menschen, ohne dass mir jemals jemand geistig bis in die Konsequenzen gefolgt ist. Ich verstehe, wie erschreckend diese Erkenntnis ist, zeigt sie doch Wesen auf, die uns umgeben, ohne dass unsere physischen Sinne sie wahrnehmen. Die Erkenntnis erweiterte mein Denken um Welten. Seitdem kann mein Verstand zuvor rein Mystisches als wahr und real bedenken. Im Laufe der Jahre mehrten sich Erlebnisse, die das Erkannte bestätigen.
«Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten, Körperempfinden, Fühlen, Denken, Spüren und Sein beschreibt mein Erleben vollständig.»5, 6
2002 zählte mir eine Eingebung diese zehn ‹Ströme› des Erlebens auf. Ich nahm das mit innerlich Mitgeteilte als wahr an und erforschte es in mir und mit meinen Nächsten. Mein Bewusstsein wuchs schnell. Mein Körperempfinden ist seitdem wacher, ich vermag die Ausdrücke meines Körpers von denen meines Seelengeistes unterscheiden, fühle bewusst und höre und sehe meine Gedanken. Das reine Sein war mir damals noch verschlossen, ich habe es hier nur der Vollständigkeit halber aufgezählt. Der wesentliche Umbau meines Denkens war die Anerkennung des Fühlens als eigenes inneres Erleben, das gleichwertig neben dem Denken steht. Wie ein Paar, sich ergänzend.
«Meine Gedanken haben unterschiedliche Formen.»7, 8
Je wacher ich meines inneren Erlebens wurde, desto häufiger hörte und sah ich die Gedanken. Ich hörte mir innerlich selbst zu und betrachtete die Bilder, die vor meiner inneren Leinwand auftauchen. So erkannte ich, dass jeder Gedanke eine Form hat: Zumeist sind es Worte in der tonlosen Stimme, oftmals Bilder, mitunter bewegte Bilder und im vertieften Denken auch tonhafte Stimmen mir bekannter Menschen, Klänge und Sinneseindrücke.
«Wollen ist das Halten einer gedanklichen Vorstellung. Mein Wille ist eine Kraft, die hinter meinem Denken liegt.»9
Im ersten Erforschen der Erkenntnis (3) zweifelte ich an ihr, weil mir das Wollen ein eigenes Erleben neben dem Fühlen und Denken zu sein schien. Damals war mein Denken zumeist ein pausenloser Strom – erst einige Jahre später, in einem langen, bewussten, innerlich stillen Moment erkannte ich, dass ohne Denken kein Wollen in mir ist. Heute sehe ich Wollen etwas weiter, doch dieses ist mehr eine Frage der Begrifflichkeit.
«Mein Körper vollzieht eigene Bewegungen.»10
Im Seminar einer Frau, die von Lichtnahrung lebte, erfuhr ich bewusst etwas mir bis dahin Unerkanntes: Wir Teilnehmer standen im Raum, die Energie war hoch und kein Gedanke zog durch meinen Verstand. Ich erlebte, wie meine Füße Schritte machten, sich mein Körper ausrichtete und auch meine Schultern und Arme in Bewegung kamen, alles ohne zu Denken. Seitdem erkennt mein Denken an, dass mein Körper eigene, aus sich selbst heraus wachsende Bewegungen hat. Je mehr ich ihn aus meiner Kontrolle entlasse, desto mehr zeigen sie sich.
«Es ist ein Unterschied, zu denken und Gedanken zu haben.»11
Von 2005 bis 2010 war ich als Lehrer für Mathematik am Gymnasium tätig. Im innerlichen Rechnen, Konstruieren und Verknüpfen wurde mir bewusst, dass ich manche Gedanken selbst erstelle, während andere zu mir gelangen, ohne, dass ich zuvor mit ihrem Inhalt beschäftigt gewesen zu sein. Mein Denken erkennt seitdem an, dass es, einem Radio gleich, so manchen Gedanken nur empfängt.
«Meine Stimmung wechselt zwischen ‹hoch› und ‹tief› und kann jede Zwischenstufe annehmen. Im feinen, bewussten Erleben wechselt sie von Moment zu Moment.»12
In dieser für mich recht aufgewühlten Zeit waren Stimmungsschwankungen an der Tagesordnung. Auch wenn sie gesellschaftlich als Schwäche gesehen werden, erlebte ich sie doch unentwegt! Eines Tages war ich plötzlich dankbar für diese inneren Bewegungen und der mir durch sie geschenkten Lebendigkeit, die ich früher, als meine Stimmung mir rückblickend eher noch stetig erschien, nicht hatte.
«Fühlen ist kein Denken und Denken kein Fühlen. Jedes Grundgefühl ist eine innere Weisung. Denken und Fühlen können uneins sein.»7, 13
Im Zuge der Erkenntnis (7) vertraute ich den Ausdrücken meines Fühlens mehr und mehr, da ich alles Fühlen als eigene Empfindung begriff. Je mehr Achtung mein Denken für mein Fühlen erlangte, desto mehr nahm die alte Prägung in mir ab, jede tiefe Stimmung, Traurigkeit und Wut sogleich wegmachen zu wollen. So erlebte ich auch Momente der Uneinigkeit zwischen ‹meinem› Denken und meinem Gefühlsausdruck. Da ich schon erkannt hatte, dass Gedanken auch aus dem Gedächtnis oder fremder Quelle kommen können, vertraute ich mich meinem Fühlen, meinem ‹Herzen›, immer rigoroser an, auch entgegen äußerem Unverständnis. So erfuhr ich immer wieder, dass die hohe und tiefe Stimmung eine Weisung aus mir selbst heraus ist, der zu folgen mich stets belohnte.
«Es gibt etwas hinter dem Denken und Fühlen. Etwas, das manchen Gedanken festhält, machen verwirft und die Gefühle in mich einstellt. Dieses Etwas bin auch ich.»18
Dieser Gedanke verfestigte sich in meinem Erfahren: Je mehr ich das Wesenhafte hinter dem Gemüt als wahr erachtete, je mehr ich in Kontakt trat, desto mehr Antworten und Hilfen wurde mir zuteil.
«Leid zu empfinden ist kein Leiden.»14, 15
Ende 2011 begann ich mit dem Schreiben von «jahnna – Buch der Menschen». Im Formulieren stieß ich auf diese beiden Worte, die ich bislang synonym füreinander verwendet hatte. Mit einem Mal erkannte ich, dass ‹Leiden› ein aktives Wort wie ‹Lieben›, ‹Stoßen›, ‹Wüten› ist, wohingegen ‹Leid›, ‹Liebe›, ‹Stoß› und ‹Wut› eher die Beschreibung eines Beobachters ist.
«Das momentane Gefühl ist vollständig durch seine Anteile der sechs elementaren Empfindungen beschreibbar: Angst, Wut, Freude, Leid, Traurigkeit und Liebe.»13
Schon so lange hatte ich bewusst gefühlt und fand partout keine anderen Gefühlsregungen als diese und alle meine ‹Gesamtgefühle› als Mischungen aus diesen sechs.
«Trauer, Ekel, Verachtung, Überraschung, Interesse, Neugier, Scham, Schuld, Unlust, Lust, Begierde, Neid, Sehnsucht, Eifer, Mitleid, Begehren und Begierde sind keine reinen Gefühle.»16
In dieser Zeit ging ich emotional durch Höhen und Tiefen und erlebte nahezu jede menschenmögliche Emotion am eigenen Leibe. Mein Bewusstsein hielt sich wach, sodass ich das gleichzeitige Auftreten der Gedanken, des Gefühls und des Körperempfindens wahrnehmen konnte. In jedem oben Benannten registrierte ich nun auch den gleichzeitigen Konstrukt des Verstandes und empfand meinen körperlichen Ausdruck.
«Ich habe zwei Körper: einen physischen und einen psychischen. Beide können sich Verletzungen zuziehen.»17
In der Zeit, in der meine eigenen Traumen ans Licht traten und ich in mir selbst und mit anderen vieles Verletzte erfuhr, verstand ich, dass eine Wunde nur an einem Körper sein kann und dass wir somit auch einen inneren besitzen, der in der Welt der Gedanken, Gefühle und inneren Räume lebt. In Verbindung mit Erkenntnis (2) enstand in mir das Bild des multidimensionalen Menschen.
«Das reine Sein ist ein wahres Erleben.»
Mit einem meiner Freunde, ein Satsang-Lehrer, entdeckten wir 2015 bewusste Wege in das innere Selbst und fanden uns gemeinsam, in seiner sonntäglichen Gruppe, in einer Sphäre, die jenseits des üblichen seelischen und geistigen Erlebens liegt und in der ich die Ausdehnung meines Selbst ohne jede körperliche Grenze erfuhr sowie allen Raum um mich als gleichsam mit der einen Lebendigkeit erfüllt.
«So wie der Körper Kleider um sich zieht, so zieht der Seelengeist das Gemüt um sich. So wie ich meine Kleider öffnen kann, kann mein Reines Selbst mein Gemüt öffnen.»18
Ich beobachtete an mir und meinen Nächsten, wie wechselhaft die Ausstrahlung des inneren Lichts ist: Mal strahlt ein Mensch und dann ist das innere Licht wieder wie verdeckt. Plötzlich erschien es mir naheliegend, dass sich auch unser Seelengeist kleidet. Im Seelisch-Geistigen ist eine Hülle zumeist ebenso hilfreich wie im Physischen.
«Es gibt nur eine Lebendigkeit – sie ist in jedem Menschen dieselbe.»19
‹Gott› war und ist für mich ein Wort, das zu sehr in Vorstellungen eingebunden ist, als es in meinem höchsten, reinsten Erleben stimmig erklingen konnte. Eines Tages fand ich für mich das Wort, das dieses Lebenshöchste, uns alle Verbindende ausdrückt: ‹Lebendigkeit›. Sie ist das, was in dir und mir und jedem Menschen gleich ist, wenn wir durch alle Schalen hindurchsehen.
veröffentlicht am 14.8.2016, letzte Änderung am 16.1.2017 um 10:00 Uhr
eine Reise in dein eigenes Erleben
Christoph Steinbach und Jaipur
412 Seiten, gebunden, mit 22 Zeichnungen des Verfassers
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